wie der Klabauter zu mir kam.

 

Der Klabauter ist nun ja schon lange bei mir und ich habe mich an den Schlingel gewöhnt.  Ja, soo lange ist er schon bei mir, dass ich schon gar nicht mehr weiß, wann er eigentlich zu mir gekommen ist. Wie, weiß ich noch genau! Aber wann?
Es war auf jeden Fall an einem Dienstag - oder war´s ein Donnerstag? Na, egal! Es ist aber schon echt lange her. Ich weiß noch, das ich meinen alten Kumpel, dem Gitarrenbauer Franz, auf Spiekeroog besucht habe. Da wohnt der nämlich. Nun werdet ihr euch vielleicht Fragen - AUF Spiekeroog? Wie kann man den AUF einem Ort wohnen, man wohnt doch IN einem Ort oder ein Haus oder so! Und Spiekeroog, was ist das überhaupt für ein Name! Nun, die Schlauen unter euch, werden natürlich wissen, das Spiekeroog eine Insel an der deutschen Nordseeküste ist. Und man wohnt nunmal AUF einer Insel und nicht IN ihr.
Nun gut, ich besuchte also meinen alten Kumpel Franz und als wir eines Morgens am Frühstückstisch saßen ging plötzlich ein fürchterliches Heulen durch die warme gemütliche Küche und endete in eine Art schluchzen. Mir standen die Haare zu Berge. Auch der Gitarrenbauer Franz zuckte zusammen und verdrehte dann die Augen. "Geht das schon wieder loß! " Seufzte er, "Seit Wochen plagt mich schon dieser seltsame Lärm - und irgendwie will mir so nichts mehr so recht von der Hand gehen. Diese neue Gitarre an der ich gerade arbeite - also das ich mir noch keinen Finger abgeschnitten habe, ist auch alles.
"Was! Du baust eine neue Gitarre?" Fragte ich verwundert. Denn eigentlich war Franz schon in Rente gegangen als er sich auf die Insel zurückzog. "Na Ja, so zum Zeitvertreib, es hat sich halt so ergeben als ich vor einigen Wochen das ideale Holz für einen Gitarrenhals am Strand gefunden habe. Es war wahrscheinlich ein Teil der kurz vorher havarierten Jacht. Wirklich ideales Holz! Passt hervorragend zu dem Zedernholz für die Decke und dem Palisander für Zarge und Boden, die hier eh noch herumlagen."
Ich hatte kaum zugehört,den ich war mit den Gedanken schon wieder woanders. "Also wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man meinen hier spukt´s" sinnierte ich, nachdem dieses fürchterliche Geheul ein zweites mal ertönte. "Arnold du spinnst, hier hat es noch nie gespukt, warum sollten die Gespenster gerade jetzt damit anfangen?" Antwortete Franz Kopfschüttelnd. "Gute Frage, aber was IST das?" Fragten wir uns allerdings beide, nachdem das Geheul ein drittes Mal durch die Küche schallte. Nach dem fünften mal wurde es uns zu viel und wir beschlossen einen kleinen Spaziergang zum alten Hafen zu machen. Es war ein warmer, aber windiger Vormittag und wie immer balancierte ich das letzte Stückchen zum alten Hafen  auf den Schienen der ehemaligen Inselbahn. Im Hafen lagen wieder mehrere kleine Jachten vor Anker, oder besser gesagt, sie lagen im Watt, denn es war Ebbe und der alte Hafen war mittlerweile versandet, so das er nur noch bei Flut befahrbar war. Kapitän Boekhof, ein alter Haudegen von Norderney und ein alter Bekannter von Franz, war auch da und so bekamen wir unser zweites Frühstück. "Ja, dieses Boot, welches vor einiger Zeit hier abgesoffen ist - war schon ´n seltsamer Kahn. Hab´s mal für den Besitzer von Malta rübergeholt. Der Smutje, der schon länger an Bord war, war der festen Überzeugung es würde auf dem Kahn spuken. "Der Klabautermann ist an Bord, ich weiß es" Und wenn man ihn weiter ausfragte, wurde er ganz blass und schwieg. Nie ließ er sich davon abbringen einen Teil der Mahlzeiten, die er uns zubereitete, ins Vorschiff abzustellen. "Für den Klabautermann" wie er sagte. Und der Steuermann, der immer am meisten über die Klabautermann Geschichten des Smutjes lachte, ging einmal bei ruhiger See über Bord und behauptete Später er hätte gespürt wie ihn jemand geschupst hätte, obwohl er alleine vorne an der Backbord Reling stand. Ja, Ja ein seltsamer Kahn." schmunzelte Kapitän Boekhof und zog genüsslich an seiner Pfeife.
Auf dem Rückweg - beide waren wir sehr schweigsam -  sahen wir uns an: "Franz, denkst du das gleiche wie ich?" "Ich denke schon, Arnold - ich habe mir einen gestrandeten Klabautermann eingefangen! Denn seitdem ich mit dem Holz vom Strand arbeite,scheint es tatsächlich bei mi zu spuken."
Tja, so hörte ich also das erste mal vom Klabauter. In den nächsten Tagen sogar mehr als genug, denn das Geheule wurde immer schlimmer - desto weiter Franz mit seiner neuen Gitarre kam. Wir lasen alle Sagen über den Klabautermann die wir finden konnten um uns ein Bild zu machen. Wir überlegten, wo der Klabauter stecken könnte, suchten ihn im ganzen Haus, im Stall, Franz wohnte im alten Haus seiner Oma, und in den umliegenden Dünen - aber zu Gesicht bekamen wir ihn nicht. So ging da eine Woche bis ich ... Nun ja, bis ich einschlief! Genaugenommen bis ich auf dem kleinen Heuboden des Hauses einduselte. Wir hatten den ganzen Nachmittag die Dünen durchsucht und ich hatte mich auf den Heuboden zurückgezogen um ein wenig Nachzudenken und aus dem kleinen Giebelfenster zu schauen, von wo man so schön das Meer sehen konnte. Tja und da bin ich dann wohl eingeschlafen. Irgend etwas muss mich dann geweckt haben, denn von der anderen Seite des Heuhaufens in dem ich lag hörte ich plötzlich eine schniefende Stimme: " Bääa, jetzt muss ich in diesem blöden Haus hier rumsitzen. Mit diesem blöden Opa, den ich nichtmal ins Wasser schupsen kann, weil er ja nie nahe genug rangeht. Und dann macht er so ein komisches Dingsda, mit MEINEM schönen Holz. Und wenn ich nicht aufpasse, dann ist es irgendwann weg - und dann bin ich auch weg. Oohaa ist das Gemein! Und mein schönes Schiff einfach abgesüppelt! nur weil Papa Poseidon wieder in Tobelaune war. Das ist Gemein! Gemein! Gemein!"
Vorsichtig lugte ich aus meinem Heuhaufen um die Ecke - und dort saß er! Der Klabauter!  Ein kleiner Knirps, so groß wie ein vielleicht achtjähriges Kind (113 cm waren es ganz genau, wir haben es später gemessen). Ein kleiner Knirps mit einer riesigen blauen Zipfelmütze, einen blau und weiß gestreiften Matrosenhemd und einem großen goldenen Ohrring. Er saß an der Ecke des Heubodens und pendelte mit den Beinen während er auf Franz kleiner Werkstatt hinunter sah. Die Leiter stand auf der anderen Seite, so das er mir nicht gleich entwischen konnte (so hoffte ich), wenn ich ihn mir schnappte. So hatte ich es zumindest erst geplant. Aber alles änderte sich, als er sich kurz umsah und ich von meinem Versteck aus sein Gesicht sehen konnte. Es sah so unsagbar traurig aus, das ich es nicht übers Herz brachte, ihn mir einfach zu greifen. Was im Nachhinein eine weise Entscheidung war, denn der Klabauter hätte mich wahrscheinlich ohne große Mühe den Heuboden hinunter geworfen, denn er ist sehr stark. "So stark wie drei Männer" behauptete er mal "Matrosen!" setzte er meistens hinzu.
"He!" rief ich also leise und kam aus meinem Versteck hervor. "Du bist also der Schlingel, der seit Wochen den Franz ärgert!" Er zuckte zusammen, sprang hoch, drehte sich blitzschnell zu mir und wäre möglicherweise auf mich losgegangen, wenn ich nicht lächelnd abgewunken hätte "Nun lass mal, ich habe nicht vor, dir etwas zu tun." Dann setzte ich mich auch an die Kante des Heubodens und winkte ihm zu, sich zu mir zu setzen. "Na, erzähl doch mal was dich hierher verschlagen hat, und warum du denn eigentlich überhaupt noch da bist. Wirklich zu gefallen scheint es dir ja nicht hier." Er beäugte mich misstrauisch, setzte sich aber - mit einem Sicherheitsabstand neben mir. Dann erzählte er, wie sein Schiff untergegangen sei und er klatschnass mit SEINEM Mast, das betonte er ausdrücklich, hier auf Spiekeroog an den Strand gespült worden sei. Und das der Franz SEINEN Mast kaputt machen würde um ein Dingsda, wie er es Ausdrückte zu bauen. "Aber warum ist denn dieser Mast soo Wichtig für Dich? Es ist doch nur ein Stück Holz." Fragte ich etwas verwirrt. "Es ist Klabauterholz, und ich bin der Klabauter, und wo das Klabauterholz ist, da bin auch ich." antwortete er ungeduldig. "Moment? Du meinst, du musst in der nähe des Holzes von deinem Schiff sein?" Fragte ich, denn so ganz verstanden hatte ich es noch nicht. "Nein, Nein! nur bei dem Klabauterholz muss ich sein." Und schaute mich dabei an als währe ich unsagbar dumm. "Ist ja gut," lachte ich, "ich kann ja nicht alles Wissen. Übrigens was Essen denn Klabauter so? Franz macht gerade seine weltberühmten Speckpfannkuchen, hier auch "Speckendicken" genannt. Also du bist herzlich eingeladen!"
"Speckendicken", seufzte er und ich sah regelrecht wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief.
Franz schaute ganz schön verdutzt, als ich mit dem Klabauter in Schlepptau, in die Gute Stube kam und dieser es sich ganz selbstverständlich in seinem besten Hörn gemütlich machte. "Sag mal, Klabauter?" Setzte ich unser Gespräch fort, "wo hast du eigentlich die ganze Zeit gesteckt? Wir haben das ganze Haus und fast die halbe Insel auf dem Kopf gestellt, um dich zu finden." "Hi Hi Hi Hi" lachte er, "Ich bin doch ein Klabautermann, ein Seegespenst, du Duselkopp!" Der Klabauter wurde so langsam recht familiär! "Und als Gespenst kann ich mich natürlich Unsichtbar machen wenn ich will. Bloss leider nicht für die, die mich gerade eh schon sehen -so´n Mist!" Wie ich später erfahren sollte, war es auch ganz gut so. So konnte man ihn zumindest manchmal von dem gröbsten Unsinn abhalten - Manchmal!
Nachdem wir alle "Speckendicken" verputzt hatten - Franz hatte extra für den Klabauter noch ein paar Neue angerührt - tranken wir noch einen starken Kaffee "zum Magen abschließen" wie Franz es nannte und dann grinste er mich an: "Ich habe sie endlich fertig. Probier sie doch mal aus" und drückte mir die Gitarre, an der er gearbeitet hatte, in die Hand. Es war wirklich eine schönes Stück wie für mich gemacht. Ich stimmte sie und klimperte auf ihr herum. Dann spielte ich den beiden einen Blues vor. "Ah, ein Musikdingsda ist das also!" Die Augen des Klabauters leuchteten. "Das Dingsda scheint ja doch nicht so schrecklich zu sein wie ich dachte." Und dann wollte er ganz genau wissen was ich da machte und woher die Töne kamen und dann wollte er noch ein Lied hören und noch eins und noch eins .... . Franz hatte sich gemütlich in seinen Sessel zurückgelehnt und sah uns beiden zu. Dann grinste er wieder. "Mmh, ich glaube ich weiß wo meine Gitarre  gut aufgehoben ist. Und natürlich der Klabauter - es sei denn natürlich, du möchtest bei dem Rest Treibholz hier auf der Insel bleiben?"
Der Klabauter schaute mich an, ich schaute ihn an, wir schauten den Franz an ...
Tja, und so ist er dann bei mir geblieben. Franz schenkte mir die Gitarre. Der Klabauter  meinte, Musikklabauter  zu sein, wäre fast so gut wie Meerklabauter. Und Ich? Na ja, der Klabauter kann ja ganz schön anstrengend sein. Aber eigentlich möchte ich ihn nicht missen.